ecosuisse


Der gemeinsame Ursprung von Ökonomie und Ökologie.

Ein Beitrag von Hans Geiger


Die sprachliche Wurzel
Es gibt in der Schweiz eine bisher mächtige Organisation economiesuisse und eine bisher unbekannte Organisation ecologiesuisse. Beide haben in ihrem Namen die gleiche sprachliche Wurzel: Das altgriechische Wort «oikos» bedeutet «Haus». Der Haushalt war im antiken Griechenland der Ort der Familie und auch der Wirtschaftsgemeinschaft. Heute sind Haushalt und Familie weitgehend getrennt von der Wirtschaft. Dies zeigt sich auch in der Messung von Wirtschaft und Wohlfahrt.

economiesuisse
economiesuisse ist der Dachverband der Schweizer Wirtschaft und vertritt die Interessen von rund 100’000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen der Schweiz. economiesuisse wurde im Jahr 2000 als Nachfolgerin des Schweizerischen Handels- und Industrievereins «Vorort» gegründet, der bereits 1870 ins Leben gerufen worden war. Für den Dachverband ist «das Wachstum des Bruttoinlandprodukts («BIP») ein wichtiges Indiz für eine gelungene Wirtschaftspolitik».

ecologie suisse
ecologie suisse ist eine «unabhängige Denkfabrik, die sich für eine nachhaltige Entwicklung, den Schutz der Umwelt und die Erhaltung der Lebensqualität in der Schweiz einsetzt». Gemäss ihrem Leitbild setzt sie sich im Sinne von Art. 2 der schweizerischen Bundesverfassung für die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt ein. Sie hinterfragt die Idee des grenzenlosen Wachstums. Ecologie suisse wurde 2025 gegründet.

Das BIP-Wachstum als Fehlanzeige
Das BIP-Wachstum ist ein schlechter Indikator für eine gute Wirtschaftspolitik und als Mass für die Wohlfahrt unbrauchbar. Als wirtschaftliche Masszahl kann das reale BIP pro Kopf dienen: Von 2000 bis 2010 betrug das jährliche Wachstum durchschnittlich 1,4 %, von 2011 bis 2023 noch 0,7 %. Im Jahr 2023 resultierte wegen der Rekordzuwanderung ein Rückgang von rund 2 %.

Der Messfehler der Ökonomie
Diese Zahlen überschätzen das echte Wirtschaftswachstum, denn Verschiebungen von Tätigkeiten aus dem nicht gemessenen Bereich «Haushalt» in den gemessenen «Wirtschaftsbereich» führen zu einem unechten Wirtschaftswachstum. Und solche Verschiebungen sind in der modernen Gesellschaft häufig. Wenn die Mutter bisher die Kinder hütete, wurde keine Leistung gemessen. Wenn die Kinder in die KITA und die Mutter zur Arbeit auf die Bank gehen, wächst das BIP statistisch doppelt: zu Recht für die Arbeit auf der Bank, zu Unrecht für die Arbeit in der KITA. Die Leistung wurde schon bisher erbracht.
Noch krasser ist es bei den Pflegeleistungen, welche Söhne und Töchter für ihre Eltern erbringen. Seit einem Bundesgerichtsurteil von 2019 haben Personen dafür Anrecht auf eine Entschädigung, falls sie sich für die Pflege bei einer Spitex-Firma «anstellen» lassen. Bezahlen tun dies die Krankenkasse und die Gemeinden oder Kantone. Spitex-Firmen sind seither «wie Pilze aus dem Boden geschossen» (Ständerat Peter Hegglin). Die Entschädigung der Söhne und Töchter und die neue Arbeit der Spitex gehen in die BIP-Zahlen ein.
Berücksichtigt man solche gesellschaftlichen Strukturveränderungen, verbleibt für die letzten Jahre kaum ein echtes Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum.

Mensch, Wirtschaft, Natur
Das Ziel von ecologie suisse ist es, das Gleichgewicht zwischen Mensch, Wirtschaft und Natur zu wahren. Das ist anspruchsvoll, es gibt mannigfaltige Interessenkonflikte. Und die Natur hat kein Preisschild und wird dadurch leicht zur Verliererin.
Es gibt eine Grösse, die alle drei Bereiche stark prägt: die Anzahl Einwohner der Schweiz. Es sind heute rund 9 Millionen, im Jahr 2000 waren es 7,2 Mio. Fast 90 % des Wachstums geht auf die Nettozuwanderung zurück. Keines unserer Nachbarländer (ausser Liechtenstein) weist ähnliche Wachstumsraten auf. Für Mensch, Natur und Wirtschaft gibt es immer noch gleich viel Platz: 41’290 km². Deren Nutzung hat sich aber seit den 90er-Jahren stark verändert: Die Siedlungsfläche hat sich seither um 476 km² zulasten der Landwirtschaft erhöht. Trotzdem ist die Belastung der Siedlungsfläche durch die stärker gestiegene Anzahl der Einwohner deutlich angestiegen.

Zur Person: Hans Geiger (Jg. 1943) ist ein Schweizer Bankmanager, Professor und Publizist.
Er war Mitglied der Generaldirektion bei der Schweizerischen Kreditanstalt und später Professor für Bankwesen in Zürich.
Heute analysiert er Wirtschaft und Politik pointiert auf Inside Paradeplatz und bei ecologie suisse.