Zur Bedeutung des Wohnens für das gesellschaftliche Wohlergehen
Wohlfahrt ist ein umfassender Begriff. Er meint nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft oder die Existenz staatlicher Transfersysteme, sondern auch die Lebensrealität der Menschen: ihre Möglichkeiten zur Teilhabe, ihre Sicherheit, ihre Gesundheit und nicht zuletzt ihre Wohnsituation. Gerade Letztere spielt für das individuelle wie kollektive Wohlergehen eine oft unterschätzte Rolle, und ist zugleich ein Spiegelbild sozialer Gerechtigkeit.
Der Jahresbericht „Schaffung, Verteilung und Erhalt der Wohlfahrt 2024“ des Bundesamts für Statistik (BFS) verdeutlicht, wie stark das Wohnen mit nahezu allen Lebensbereichen verknüpft ist. Eine gute Wohnung in einem sicheren, sauberen und sozial eingebetteten Umfeld wirkt sich positiv auf Gesundheit, Erwerbsfähigkeit, soziale Kontakte und psychisches Gleichgewicht aus. Sie schafft Stabilität und eröffnet Handlungsspielräume – gerade für vulnerable Gruppen.
Doch nicht alle Menschen in der Schweiz profitieren im gleichen Mass von dieser Ressource. Eine ungenügende Wohnsituation steht laut BFS oft in Zusammenhang mit geringem Einkommen, einem schwachen sozialen Netzwerk und niedriger politischer Partizipation. Wer in überteuerten, lauten oder unsicheren Wohnverhältnissen lebt, ist häufiger von Stress, Isolation und gesundheitlichen Problemen betroffen, und zieht sich tendenziell aus dem gesellschaftlichen Leben zurück.
Ein zentrales Problem sind die hohen Wohnkosten.
Für viele Haushalte mit bescheidenem Einkommen machen sie den grössten Teil der monatlichen Ausgaben aus. Dadurch bleibt weniger Spielraum für andere Grundbedürfnisse wie Nahrung, Gesundheit oder Bildung. Diese Engpässe wirken sich kumulativ auf die Lebensqualität aus. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner mit niedriger Rente sowie junge Erwachsene in Ausbildung oder im Berufseinstieg.
Auch Wohneigentum, das oft als Garant für Sicherheit und Selbstbestimmung gilt, bringt neue Abhängigkeiten mit sich, etwa durch steigende Hypothekarzinsen, sinkende Immobilienwerte oder gesetzliche Vorgaben zur energetischen Sanierung. Die politische und wirtschaftliche Dynamik auf dem Immobilienmarkt wirkt sich direkt auf die Lebensrealität zahlreicher Menschen aus.
All dies zeigt: Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf.
Es ist ein fundamentaler Bestandteil der Wohlfahrt und muss entsprechend behandelt werden. Nicht nur im Kontext von Wohnbaupolitik, sondern als Querschnittsthema der Sozial-, Gesundheits-, Wirtschafts- und Umweltpolitik.
Die Schweiz wächst, der Wohnraum schrumpft. In Zeiten demografischer Verschiebungen, steigender Nachfrage und ökologischer Grenzen darf Wohnen nicht länger als Einzelthema behandelt werden. Es geht um weit mehr: Wie sichern wir bezahlbare Wohnungen in den Städten? Wie schaffen wir Quartiere, die Familien Halt geben und älteren Menschen Geborgenheit? Und wie verteilen wir die Wohnkosten so, dass sie nicht zur sozialen Bruchstellen unserer Gesellschaft werden?
Die Antworten auf diese Fragen entscheiden mit darüber, wie belastbar und gerecht unser Wohlfahrtsstaat in Zukunft sein wird.
Quelle:
Bundesamt für Statistik (BFS): Schaffung, Verteilung und Erhalt der Wohlfahrt 2024, Neuchâtel 2024.
Online abrufbar unter: https://www.bfs.admin.ch/asset/de/23767760
Direkter Download (PDF): https://dam-api.bfs.admin.ch/hub/api/dam/assets/33550074/master
Was ist Wohlfahrt ?
Schaffung, Verteilung und Erhalt der Wohlfahrt 2024
https://www.bfs.admin.ch/asset/de/23767760
Zitate:
«Wohnsituation als Ressource für die Wohlfahrt
Wohnen gilt als eine der Quellen der Wohlfahrt. So trägt es z. B.
zur Aufrechterhaltung der Gesundheit, der Erwerbsmöglichkeiten
und der sozialen Netzwerke bei.10 Ausschlaggebend für die Qualität
der Wohnsituation ist neben der Qualität der Wohnung selbst
auch jene des Wohnumfelds. Zusammen mit objektiven Indikatoren
über die Wohnsituation liefert die subjektive Einschätzung
der Sauberkeit, der Ruhe und der Sicherheit des Wohnumfelds
Informationen über den Beitrag der Wohnsituation zur Wohlfahrt.
In der Regel geht eine schlechte Qualität der Wohnsituation
mit geringem Einkommen, einem kleinen Bestand an Sozialkapital
und geringer politischer Partizipation einher. So beeinträchtigt
eine ungenügende Wohnsituation soziale Aktivitäten wie
beispielsweise das Einladen von Bekannten zu sich nach Hause.
Ausserdem werden die persönliche Sicherheit und die physische
wie auch die psychische Gesundheit stark durch die Wohnsituation
beeinflusst. Beispielsweise kann sich eine mangelnde
Qualität der Wohnung (Dunkelheit, Feuchtigkeit, Lärm, Gestank)
negativ auf diese Lebensbereiche auswirken.»«Wohnen als wichtiger Bestandteil der materiellen
Lebensqualität
Die Ausgaben für Wohnen bilden den wichtigsten Konsumposten
der privaten Haushalte
Dabei können hohe Kosten fürs Wohnen die Befriedigung anderer
Bedürfnisse (z. B. Nahrungsmittel, Gesundheitspflege und
Unterhaltung, Erholung und Kultur) beeinträchtigen. Von diesen
Engpässen betroffen sind vor allem Haushalte mit kleinem Budget,
die prozentual mehr für das Wohnen ausgeben als wohlhabendere
Haushalte.
Während der Besitz von Wohneigentum eine gewisse
Sicherheit und Selbstbestimmung für private Haushalte mit sich
bringt, sind solche Haushalte von Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt
(wie eine Änderung der Kreditbedingungen oder der
Immobilienpreise) finanziell überproportional betroffen.»Quelle Bundesamt für Statistik BFS


